Religion, Kult und Mythos
"Wodan oder Merkur, wie ihn andere nennen." Ionas von Bobbio
Für Carl Gustav Jung sind Mythen die Manifestation eines kollektiven Unterbewußtseins, in denen wesentliche Menschheitserfahrungen zum Ausdruck kommen. Laut dem Lexikon der Mythologie stammen fast 800 Wörter in unserer Umgangssprache aus mythischen Vorstellungen. Doch was ist Mythos? Und wie steht der Mythos zur Religion? Die Griechen sahen zwei Gegensätze: Érgon war die Tat, das Werk und Mýthos war das Wort, die Rede. Also ist der Mythos eher etwas Narratives – im Gegensatz zur ethisch orientierten Religion. Den Mythos gab es vor der Entstehung der Religionen und hat ihren Untergang überlebt.
Auch wenn Jung von einem „kollektiven Unterbewußtsein“ spricht, so sind Mythen nicht universell. „Sie [Mythen] spiegeln die gesellschaftliche Struktur eines Volkes und Stammes und sind unverwechselbarer Ausdruck der jeweils spezifischen Lebensauffassung und Haltung (…)“ So Knaurs Lexikon Mythologie.
Was wissen wir über Religion und Mythos der Alamannen? In wie fern kann man die Glaubenswelt der Alamannen mit der anderer germanischer Stämme, gar die der Wikinger gleich setzen? Wie griffen die Vorstellungen der jenseitigen Welt in den Alltag hinein. Und wie und wann wurden die Alamannen christianisiert?
Wie können wir die Religion der Alamannen fassen? Klar ist eines: Die Alamannen alleine(und die über sie berichtende Chronisten) haben uns ein zu lückenhaftes Bild hinterlassen um daraus eine Religionsgeschichte zu extraihren. Doch haben wir die vielen anderen germanischen Stämme und eine über tausendjährige Berichterstattung über die religiösen Sitten germanischer Völker und Stämme. Der alte Grönbech schrieb in seiner Einleitung zu seinem Monumentalwerk „Kultur und Religion der Germanen“ : Unter dem Namen Germanen fassen wir den Volksstamm zusammen, von dem die Skandinavier, Deutschen und Engländer Abzweigungen sind. Also ist es Allgemeingut, daß man bei germanischer Religion von der Religion der Teutonen und Kimbern bis zum Glauben der Wikinger spricht. Doch wäre man da völlig auf dem Holzweg, wenn man die Religion dieser Stämme gleichsetzt. Sie (die Religion und die Mythen) haben einen Ursprung, doch liegen 1000 Jahre Geschichte und 2800 Km zwischen Island und der gotischen Krim. Selbst Dogma-und Buchreligionen unterliegen in so einem Zeitraum und so einem geographischem Raum vielen Variationen; da kann man sich vorstellen, daß eine Naturreligion die ohne Bücher und Dogma auskommt, eine sehr viel höhere Streuung und Verschiedenheit erlebt. Doch haben wir – wie gesagt- kein Werk auf welches die germanischen Stämme ihren Glauben bezogen. Wenn man sich mit den Mythen und Göttern, den Festen und Opfern der heidnischen Germanen befassen will, sich man sich mit einem riesigen, lückenhaften Flickwerk konfrontiert. Bei so vielen Lücken ist man um jeden Trittstein froh; doch erkennt man auch sehr, sehr viele Parallelen. Wenn Isidor von Sevilla suebische Frauen anklagt die beim weben heidnische Zauberlieder im Takt der Schiffchen singen, dann können wir die direkte Verbindung zu den Nornen der Wikinger die mit Mannesgedärme das Schicksal weben und zu alten Liedern aus den Färöer-Inseln die sogar im Webetakt vom Schicksalsweben der Nornen singen. Bei all den Parallelen kann man trotzdem nicht von „einer germanischen“ Religion reden. Verschiedene Stämme beteten verschiedene Götter an, manche Götter trugen von Stamm zu Stamm einen anderen Namen und selbst die Erschaffung der Menschen variiert von Tacitus bis zur Edda Snorris. Auch liegt es auf der Hand, daß die eddischen Neigungen zu Frost-und Eisriesen, zu Feuer und Kälte wohl kaum eine Rolle spielte von Ostgoten in den ukrainischen Ebenen ihre Mythen erzählten